Wir gehören dazu! Einbürgerung und politische Partizipation als Ziel der Integration
Leitung: | Prof. Dr. Dirk Lange, Dr. Anwar Hadeed (amfn e.V.) |
Team: | Dorothee Hermanni, Petra Gargiso (amfn e.V.) |
Jahr: | 2014 |
Förderung: | BAMF (Europäische Integrationsfonds), Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung |
Laufzeit: | 08/2014 - 06/2015 |
Ist abgeschlossen: | ja |
Seit Jahren wird von politischen Institutionen und zivilgesellschaftlichen Bündnissen für die Akzeptanz der „neuen Deutschen“, eine „Willkommenskultur“ und eine unterstützende Akzeptanz der „Einwanderungsgesellschaft“ geworben. Demgegenüber hält sich mehrheitlich in der Gesellschaft eine exkludierende Definition von (nationaler) Identität, von Staatsbürgerschaft und darüber, wer „deutsch“ ist. Diese Haltung wirkt, neben je individuellen Gründen, auf die Einbürgerungshaltung der Migrantinnen und Migranten zurück. 2013 machten fast drei Viertel aller Zugewanderten vom Recht auf Einbürgerung keinen Gebrauch. Welche wesentlichen, nicht-pragmatischen Gründe hemmen den Schritt zur Einbürgerung? Und welche politischen Bildungsmaßnahmen können weiterführende Impulse geben?
Vorliegende sozialwissenschaftliche Untersuchungen zur Einbürgerung haben den Forschungsgegenstand in den letzten zehn Jahren vor allem in quantitativer Hinsicht untersucht. Was in den Untersuchungen jedoch nur am Rande behandelt wird ist eine vertiefte Analyse der emotionalen Motive für die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft des Herkunftslandes. Hieran setzt das Interesse der vorliegenden Studie an: Es soll schwerpunktmäßig erforscht werden, warum Menschen aus sogenannten Drittstaaten sich aus nicht-pragmatischen Gründen für die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft entscheiden. Damit verbunden ist die Frage, welches Verständnis von Staatsangehörigkeit vorliegt, sowohl bezüglich der Staatsangehörigkeit des Herkunftslandes wie auch der Wahrnehmung dessen, was mit „deutscher“ Staatsangehörigkeit und Identität verbunden ist. Die Ursache des Motivs gegen eine Einbürgerung, so die These der Studie, kann in einer zu eng definierten nationalen Identitätsvorstellung liegen, die sowohl im Herkunftsland geprägt wurde als auch von der deutschen Mehrheitsgesellschaft vorgelebt wird. Nationale Zugehörigkeit wird in der deutschen Gesellschaft nach wie vor eher exklusiv verstanden. Angesichts veralteter Wahrnehmungsmuster von „migrantischen“ und „einheimischen“ Identitäten erscheint das Konzept „Inklusion“ für alle, die in binären Identitätsvorstellungen denken, als Bedrohung der eigenen nationalen Identität und Kultur.
Wenn ersichtlich ist, warum Menschen mit bereits erfolgter Integration unterschiedlichster Art (Stadtteil, Vereine u.ä.) ihre Staatsangehörigkeit nicht aufgeben und welche Vorstellungen von nationalen Identitäten vorliegen, kann der migrationspolitischen Bildung ein offener Begriff von Staatsangehörigkeit und Partizipation zugrunde gelegt werden. Wie lässt sich die oft vorliegende regionale oder kommunale Identifikation als Merkmal einer „deutschen“ Identität sichtbar machen und in die herkunftsstaatliche Identität integrieren? Lässt sich das Interesse an Partizipation (z.B. im eigenen Stadtteil) stärken, indem hybride Identitäten sichtbar und annerkennungswürdig werden?
Die Untersuchung leistet einen Beitrag zur aktuellen Diskussion über Staatsbürgerschaft und nationale Identität im 21. Jahrhundert. Sie zielt nicht nur auf den migrationspolitischen Kontext, sondern verweist auf die gesamtgesellschaftliche Relevanz, Identitäten und Gesellschaften als sich stetig wandelnde Formationen wahrzunehmen.
Der praktische Teil der Studie besteht aus der Durchführung einer Umfrage (150 Personen mit Drittstaatsangehörigkeit). Fortbildungsseminare und eine Bildungsmaßnahme werden zielgruppenspezifisch Möglichkeiten kommunalpolitischer Teilhabe aufzeigen, die mit der deutschen Staatsbürgerschaft verknüpft sind. Neben der Vermittlung von kommunalpolitischen Grundkenntnissen geht es um eine Diskussion von Themen wie nationale/kulturelle Identität, Zugehörigkeitsgefühl und Staatsbürgerschaft. Am Ende des Projekts soll ein an der Zielgruppe erprobtes Konzept vorliegen, das politische Erwachsenenbildung im Migrationskontext erfolgreich umsetzen kann und Modellcharakter für andere Bundesländer hat.